Iran

IRAN
Schnee und Wüsten

Die Maschine aus Dubai setzt sanft auf der Landepiste südlich von Teheran auf und nachdem ein kritisch blickender Grenzbeamter unsere Pässe gestempelt hat, verhandeln wir -von Beginn an auf verlorenem Posten- mit einem Taxifahrer und der dazugehörenden Gruppe "Taxi-Vermittler" um den Preis und das Ziel für die Fahrt in die Stadt, während unsere Skis und Taschen bereits im Taxi verschwinden. Wir stolpern gleich über die arabische Schrift, da unser Reiseführer komplett verleugnet, dass es hier auch andere Schriftzeichen gibt und somit sämtliche Stadtpläne im Reiseführer für einen Vorschlag unsererseits zum Ziel der Fahrt plötzlich nicht einmal mehr das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt wurden.
Aber der erste Eindruck trügt. Vor uns liegt nicht das dem Westen verschlossene Land, das sich zwischen den Gebetszeiten nur der Urananreicherung widmet, sondern die Heimat ausserordentlich freundlicher und hilfsbereiter Perser. Gemeinsam mit dem Taxifahrer einigen wir uns also auf ein Hotel, bei dem er uns abladen soll.




Teheran
Im Zentrum Irans

Die Stadt ist laut und chaotisch, aber wir finden uns gut zurecht, machen die letzten Besorgungen für die geplanten Skitouren und überqueren auf iranische Art bereits die ersten grösseren Strassen bei vollem Verkehr. Wir drängen uns durch Autos, Motorräder und Handwagen durch die Stadt.
Für den Bazar ist es bereits zu spät, aber in einem Coffeeshop gönnen wir uns eine Wasserpfeife und lassen den ersten Abend in Persien ausklingen.


Der erste Blick auf Teheran
Wohin man geht, überall gibt es Tee

Alborz Mountains
Teherans Berge

Wir fahren nach Osten aus der Stadt. Trostlose Hochhaussiedlungen ducken sich verlassen an die kargen Berghänge, die Tropfen des einsetzenden Nieselregens auf der Windschutzscheibe lassen das Bild verschwimmen. Dann wieder eine belebte Strasse einer Stadt im Nichts, bevor wir die Agglomeration Teherans endgültig verlassen. Die Skilifte am Pass sind nicht mehr im Betrieb, wenige Schneefelder erinnern an die bereits vergangene Saison. Der Bus holpert weiter nach Norden und spuckt uns in Polour aus.
Ausser dem Flugtickent und dem Visum haben wir vor der Reise für unsere Bergtour nichts organisiert und auch nichts geplant. Also scheint es uns am besten, ersteinmal den Bauch zu füllen. Wir lümmeln uns in die Liegebänke vor einem der Restaurants am Strassenrand und lassen den Dingen  ihren Lauf. Die Ski, Taschen und Rucksäcke auf einem Haufen vor dem Tisch deponiert, erfahren wir bei einem üppigen Mittagessen vom Kellner alles notwendige und schon steigen wir in das von ihm organisierte Taxi, nicht aber ohne uns vorher noch mit ein paar neugierigen Iranern fotografieren zu lassen.
Das Taxi bringt uns zum sogenannten Camp Eins, ein Haus des iranischen Bergsteigervereins etwas oberhalb von Polour. Der Hüttenwart des Hauses begrüsst uns herzlich, als wären wir alte Freunde und bedeutet uns, zunächst in seinem hochoffiziell wirkenden Büro einen Tee mit ihm zu trinken. Sein Englisch ist holprig, aber schliesslich gelingt es uns doch, die notwendigen Formalitäten zu klären. In der karge Hügellandschaft um das Camp machen wir eine kleine Runde und ein paar Fotos, ehe wir zurück im Camp die Ausrüstung sortieren.

Der Damavand, Ziel unserer Reise
Blick über die Dächer von Polour
 
Doberar
Es regnet in Strömen und wir machen uns eigentlich nur bereit, weil wir nicht sicher sind, ob das Taxi nun trotzdem kommt oder nicht. Also ziehen wir uns an. Der Hüttenwart kommt raus und wir versuchen ihm zu erklären, dass eine Skitour bei diesem Wetter wenig Sinn macht. Er mustert uns von oben bis unten und meint dann: Oh, you are ready, you can go! Zehn Minuten später sitzen wir im Taxi nach Lazem, unsere Skier hängen zur Hälfte aus dem Fenster. Auf der kurvigen und abschüssigen Bergstrasse versucht uns der Taxifahrer mit Musik aus dem CD-Player zu unterhalten, wobei der Grossteil seiner CD's nicht mehr brauchbar ist, sodass wir einige gefühlt endlos dauernde Minuten zwischen unserer und der Gegenfahrbahn pendelnd verbringen.
Es regnet immer noch, als wir im verlassenen Dörfchen aussteigen. Hier sind wir nicht nur die einzigen Leute mit Ski, im ganzen Tal ist überhaupt niemand unterwegs.
Wir tragen die Ski in das karge Seitental, bis wir eine Altschneezunge erreichen. Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen und die Wolken lichten sich. Ein unwirkliches Lich fällt auf die Hänge neben uns, während wir in gleichmässigem Schritt höher steigen. Bald können wir hinter uns den Damavand -wie so oft mit einer Wolkenhaube- erkennen. Nach mehreren Stunden erreichen wir den Wintergipfel, fellen ab und schon ziehen wir unsere Schwünge ins Tal. 


Tourenbeschreibung Doberar


Einsame Skitour in der Nähe von Lazem

Damavand
Der Jeep wartet schon vor der Tür und es dauerd nur wenige Minuten, bis wir die Ski und die schweren Rucksäcke verstaut haben und über eine holprige Schotterpiste zur Moschee fahren, dem sogenannten Camp Zwei auf dreitausendundvierzig Meter. Dort schnallen wir die Ski auf den Rucksack und wandern los. Zunächst dem Sommerweg entlang, suchen wir uns nach gut dreihundert Höhenmetern eine weite Schneezunge, der wir aufwärts folgen. Es wird zunehmend steiler und bei einer felsdurchsetzten Engstelle ist kein Weiterkommen mehr. Also die Ski wieder auf den Rucksack und zu Fuss weiter, bis der Hang schliesslich wieder abflacht und wir die Schutzhütte Bargah, das Camp Drei auf viertausendundzweihundert Metern erreichen.
Vor der Hütte wärmt die Sonne, aber die dicken Steinmauern lassen die Temperatur im inneren kaum auf null Grad steigen, also verbringen wir den Nachmittag vor der Hütte, bis uns der beissende Wind wieder hineintreibt. Der junge Afghane, der die Hütte bewirtet lädt uns und die paar wenigen, die mit uns dort oben sind auf einen Tee in sein Kämmerchen ein, dem einzigen beheizten Raum. Schliesslich quälen wir uns doch in den eiskalten Schlafraum. Die erste Hälfte der Nacht döse ich ruhig vor mich hin, aber nachdem ich im Schlaf das Ventil der Isomatte öffne, wird es ungemütlich. Um fünf Uhr stehen wir auf. Der Wind treibt Nebel und Schneeflocken um die Hütte, trotzdem beschliessen wir, den Gipfel zu versuchen. Nach vierhundert Höhenmetern geben wir auf. Es wird nicht besser, also zurück zur Schutzhütte. Wir verbringen den Tag im Schlafsack und diskutieren, ob wir trotz schlechtem Wetterbericht eine weitere Nacht hierbleiben sollen.
Wir bleiben, und am nächsten Tag beginnt das Spiel von Neuem. Im dichten Schneegestöber kämpfen wir uns bis auf fünftausend Meter, wo mit den Skiern kein Weiterkommen ist. Der starke Höhensturm hat die Felsen und Schotterfelder vom Schnee befreit und wir tauschen die Ski gegen Steigeisen. Zunächst steigen wir gerade hoch, immer entlang einer Felsrippe, die uns im Nebel Orientierung gibt. Irgendwann hört diese auf und das Gelände flacht ab. Unangenehmer Schwefeldampf mischt sich in den Wind. Hin und wieder liegt eine Stange auf dem Boden, alte Wegweiser, die sich dem Sturm gebeugt haben. Noch einige hundert Meter weiter. Um uns herum sieht alles gleich aus, eine scheinbar endlose Schotterfläche und irgendwann beschliessen wir umzudrehen, bevor wir hier die Orientierung verlieren.
Bald sind wir zurückbei den Skiern und klopfen uns den feinen Schnee aus der Kapuze, den uns der Wind in den vergangenen Stunden ins Gesicht gepeitscht hat.
Bei der Hütte sammeln wir die restliche Ausrüstung auf und verabschieden uns. Der Jeep wartet bereits auf uns. Der Fahrer überrascht uns mit einem iranischen Bierersatz -natürlich alkoholfrei- und wir geniessen die Wärme im Tal.

Tourenbeschreibung Damavand


Zurück in den Süden
Ein zu einem Transporter umgebauter Bus sammelt uns am Strassenrand in Polour ein, nachdem wir vor einer Metzgerei im Regen vergeblich versucht haben, einen Überlandbus anzuhalten. Zwischen dem Ladegut ist noch Platz für unsere Ausrüstung und zwei Sitze wurden nicht ausgebaut, sodass wir es uns hinter dem Fahrer gemütlich machen.
In Teheran wechseln wir auf ein Taxi. Im dichten Verkehr schrammelt ein Auto an unserem Wagen entlang und erwischt auch noch die Ski, die hinten quer aus dem Kofferraum hängen. Niemand macht sich die Mühe, wegen ein paar Dellen stehenzubleiben, aber wir beschliessen nun, die Ski in Teheran zu deponieren und reisen mit leichtem Gepäck weiter.


Qom
Heilige Stadt der Schiiten

Durch karge Wüstenlandschaft, vorbei an Salzseen bringt uns der Bus in die Stadt Qom, wo die Grabmoschee der Fatima eine der heiligsten Stätten der Schiiten darstellt. Munter spazieren wir auf einen Eingang des weitläufigen Geländes der Moschee zu, werden aber schon am Tor aus der Menge gezupft. Ein Wärter, der nur Farsi spricht bedeutet uns, unsere Rucksäcke abzugeben und schreibt uns etwas auf ein kleines Stück Papier. Schliesslich zeigt er auf einen weiter oben liegenden Eingang. Dort angekommen nimmt uns ein anderer Wärter in Empfang, der uns ins innere der Anlage führt. In einem Büro sitzt ein islamischer Geistlicher auf einer Polstergarnitur am Boden und lädt uns ein, neben ihm Platz zu nehmen. In bestem Englisch beginnt er ein Gespräch und nachdem der erste Tee getrunken ist und er auch einiges über uns erfahren hat, erzählt er uns in aller Gründlichkeit die Geschichte der Moschee, des Islam und klärt uns über die religiösen Gebräuche im Heiligtum auf, während er uns durch die Anlage führt. Für sein Mittagsgebet lässt er uns kurz alleine, wir sitzen im Hintergrund, bis er uns schliesslich wieder ins Licht einer der Innenhöfe führt.
Auf den zweiten Tee verzichten wir dankend, wir wollen am Nachmittag noch weiter nach Süden in die Stadt Kashan.


Kashan
Am Rande der Wüste

An der staubigen Hauptstrasse steigen wir in das erstbeste Taxi. Der Fahrer quasselt in holprigen Englisch auf uns ein und zieht Werbebroschüren und Postkarten aus dem Handschuhfach. Schliesslich nutzt er einen Kreisverkehr und breitet auf seinem Lenkrad und vor der Windschutzscheibe eine Infobroschüre aus, den Verkehr um uns herum behält er mit vereinzelten Blicken durch die Seitenfenster im Auge. Bei der dritten Runde haben wir uns noch nicht für einen Ausflug für den kommenden Tag entschieden und er fühlt sich veranlasst, seine Frau anzurufen, die sehr gut englisch spreche und uns doch gleich als Fremdenführerin begleiten könnte.
Er gibt uns das Telefon, seine Frau ist am Apparat und fragt was wir eigentlich wollen. Wir sagen wir müssen ihren Mann fragen, was wir eigentlich wollen sollen. Das Spiel wiederholt sich und schliesslich trennen wir uns mit einem Unentschieden: Er holt uns am nächsten Tag um neun Uhr ab, dafür fahren wir zum Salzsee Daryacheh Namak mit der Karawanserei und nicht in das von ihm propagierte Bergdorf.
Unser Matratzenlager in der Jugendherberge liegt im Keller, verspricht uns dafür ein angenehm kühles Klima. Die Stadt erkunden wir zu Fuss, überall wird Rosenwasser verkauft. Kurios erscheint uns das knallige Werbeplakat mit den Geislerspitzen Südtirols, wenngleich sie arg verzerrt wurden sind sie doch deutlich zu erkennen hinter den im Photoshop nachträglich angepflanzten Rosen.
Der Bazar von Kashan ist weitläufig, aber es ist trotzdem nicht schwierig, sich darin zurechtzufinden. Da der Tourismus hier nur wenig ausgeprägt ist, werden vor allem Kleidung und Dinge für den täglichen Gebrauch verkauft - und natürlich Schmuck und Teppiche.

Windturm in Kashan
Der Bazar von Kashan

In der Luft liegt ein heisses und trockenes Wüstenklima, welches beim Anblick der noch schneebedeckten Berge westlich der Stadt die Gegensätze ganz Persiens auf kleinstem Raum zusammenführt.
Nach dem kurzen Ausflug in die Wüste besichtigen wir noch die eindrucksvolle unterirdische Stadt bei Nushabad, in der sich die Bewohner über Jahrhunderte bei drohenden Angriffen versteckten.


fotos april|2014 © gustavosteffens | michaeldellantonio